Unterwegs im Inneren der Orgel von Sankt Marien
von Matthias Henke / 13.08.2020
Die Gottesdienste der evangelischen Kirchengemeinde Gransee finden derzeit, sofern das Wetter mitspielt, im Pfarrgarten an der Klosterstraße statt. Die Granseer Sommermusiken konnten in diesem Jahr, coronabedingt, erst spät beginnen. Wenig Gelegenheit also, die altehrwürdige Wagner-Schuke-Orgel zum Klingen zu bringen, wenn nicht gerade Kirchenmusikerin Maraike Schäfer zum Üben am Spieltisch auf der Empore Platz nimmt. Doch das soll sich ändern – bei drei Konzerten im August und September (siehe Anhang). Vorab nahm Schäfer die Gransee-Zeitung mit zu einer Besichtigung der auch "Königin der Instrumente" genannten Orgel. Dabei ging es auch ins Innere des 1745 von Orgelbaumeister Joachim Wagner, einem Schüler Gottfried Silbermanns, als letztes Werk vollendeten Instruments.
Der Rundgang beginnt aber mit einem Blick auf das Instrument vom Kirchenschiff aus. Auf den ersten Blick erkennbar sind etwa 60 Pfeifen am Prospekt, also der dem Kirchenschiff zugewandten Seite der Orgel. Doch wer je gehört hat, wie ein Musiker die Möglichkeiten des Instrumentes ausreizt, ahnt, dass das bei weitem nicht alle sein können. Und tatsächlich: 2?044 Pfeifen befinden sich insgesamt im Inneren. Die größten von ihnen messen mehr als fünf Meter, die kleinsten nur wenige Millimeter.
Sprichwörtlich wie die Orgelpfeifen
Auf der Empore angekommen schließt Schäfer die Orgel auf. Zwei Zugänge gibt es – einen an der linken, einen an der rechten Seite. Um die obere Etage der Orgel zu erklimmen, geht es zunächst durch den rechten Zugang hinein. An einigen der mehrere Meter hohen Pfeifen vorbei führt eine schmale Treppe hinauf. Und siehe da, das Sprichwort "aufgereiht, wie die Orgelpfeifen" kommt nicht von ungefähr. In Reih und Glied, alle exakt nebeneinander und der Größe nach geordnet, stehen hunderte Pfeifen da. Je kleiner die Pfeife, desto höher der Ton – auf diese simple Regel lasse es sich meist zusammenfassen,, aber nicht nur, wie Maraike Schäfer aufmerksam macht. Gedackte Pfeifen etwa sind am oberen Ende verschlossen. Das hat zur Folge, dass der von einer solchen Pfeife erzeugte Ton eine Oktave tiefer ist, als ihre Rohrlänge eigentlich erwarten lässt. Aber nicht nur die Bauart, auch die verwendete Metalllegierung wirkt sich auf den Ton aus, so die Kirchenmusikerin, die das Instrument nicht nur zu spielen weiß, sondern auch viel von seiner Technik berichten kann. "Während des Studiums beschäftigt man sich drei Semester mit Orgelbau", sagt sie und lacht.
"Die Orgel ist ein sehr altes Instrument", erzählt die 33-Jährige weiter und meint damit aber nicht die Orgel, in der sie sich gerade befindet. Sie ist mit knapp 275 Jahren vergleichsweise jung im Vergleich zur Hydraulis (Wasserorgel), die der griechische Erfinder Ktesibios aus Alexandria im 3. Jahrhundert vor Christus ersonnen haben soll. Charakteristisch war die Luftzufuhr mit einem hydraulischen Prinzip, bei dem ein gleichmäßiger Luftdruck durch Wasser aufrechterhalten wird. "Immer wenn in der Mechanik neue Erfindungen gemacht wurden, wurde das auch auf den Orgelbau übertragen", so Schäfer weiter. So gibt es heute mechanische, pneumatische und elektro-mechanische Orgeln, die sich jeweils in der Art und Weise unterscheiden, wie Tasten und Pfeifenventile miteinander verbunden sind. "In Gransee haben wir eine mechanische Orgel, dass heißt, wenn die Person am Spieltisch eine Taste drückt oder ein Register zieht, werden Pfeifen und Register auf rein mechanischem Weg angesteuert", so die Kantorin. Einziges Zugeständnis an die Moderne: Ein Elektromotor sorgt für den Wind und kein Blasebalg wie früher.
1968 umfassend erneuert
Bevor es wieder hinunter geht, fallen noch drei Pfeifen an der Seitenwand auf, die keinerlei Verbindung zum Rest des Systems haben. Sie erinnern an vergangene Umbauarbeiten. "Diese Körper sind aus der Orgel von 1570 und 1735 durch Wagner angewendet und aus dem alten Gedackt 8’ durch Lüthkemüller als Fortsetzung des Subbaß genommen – und ist dies Werk 1862 von Gesell und Schultze vom Blitzschaden repariert – 1868 ist das Werk durch den Umbau des Chores gründlich umgebaut vom Orgelbauer Schultze aus Potsdam" ist auf dem darunter angebrachten Schild zu lesen. Dies blieben aber nicht die letzten Umbauten. Umfassend erneuert wurde die Granseer Orgel dann noch einmal 1968 von Alexander Schuke, der 363 erhaltene Orgelpfeifen von Wagner in den Neubau einbezog. 2012 wurde das Instrument schließlich generalüberholt.
Wieder unten angekommen wird über den linken Zugang der Orgel jene komplizierte Technik in Augenschein genommen, die schließlich dafür sorgt, dass das Betätigen von Registern und Tasten sich unmittelbar auf die zu hörenden Töne auswirkt. Über filigrane Verbindungen, Abstrakte, Winkel und Wellen wird jedes Register, jede Pfeife angesteuert.
Apropos Register: Noch so ein Sprichwort, für das die Orgel Pate stand, lautet "alle Register ziehen". Genau das tut Maraike Schäfer, als sie zum Schluss der Besichtigung noch eine Kostprobe der musikalischen Möglichkeiten der Orgel gibt. Voll und wuchtig dröhnt es durch das Gotteshaus. Die Orgel verfügt über 28 Register, die auf zwei Manuale und Pedal verteilt sind. "Manche Töne bewegen sich am Rand dessen, was ein Mensch hören kann", beschreibt Schäfer und schiebt die Register wieder hinein, um kurz drauf die mächtigen hölzernen Subbaß-Pfeifen und die kleinsten Oktav-Pfeifen separat anzustimmen. Tatsächlich hat der Laie Mühe, einen Ton auszumachen. Es ist mehr ein unbestimmtes Brummen beziehungsweise ein kaum wahrnehmbares Pfeifen. "Aber solche Töne beziehungsweise die zugehörigen Register werden in der Regel nur im Zusammenspiel mit anderen benutzt, nicht allein für sich", so die Kirchenmusikerin.
Welche Möglichkeiten das Instrument alle bietet, ist bei folgenden Konzerten im August und September zu erleben. "Alte Meister treffen Filmmusik", heißt es am Sonnabend, 29. August; ab 18 Uhr. Es spielen Sanko Ogon (Orgel und Cembalo) und Arne Berg (Querflöte). Am Sonntag, 13. September, ab 16 Uhr Knut Lennart Scholz aus Köln ein Orgelkonzert. Das Konzert der Kirchenmusikerin Maraike Schäfer am Sonntag, 27. September, ab 16?Uhr steht unter dem Titel "Jubilare 2020". Werke von Beethoven, Hindemith, Muffat und Vierne kommen zur Aufführung.
Der Rundgang beginnt aber mit einem Blick auf das Instrument vom Kirchenschiff aus. Auf den ersten Blick erkennbar sind etwa 60 Pfeifen am Prospekt, also der dem Kirchenschiff zugewandten Seite der Orgel. Doch wer je gehört hat, wie ein Musiker die Möglichkeiten des Instrumentes ausreizt, ahnt, dass das bei weitem nicht alle sein können. Und tatsächlich: 2?044 Pfeifen befinden sich insgesamt im Inneren. Die größten von ihnen messen mehr als fünf Meter, die kleinsten nur wenige Millimeter.
Sprichwörtlich wie die Orgelpfeifen
Auf der Empore angekommen schließt Schäfer die Orgel auf. Zwei Zugänge gibt es – einen an der linken, einen an der rechten Seite. Um die obere Etage der Orgel zu erklimmen, geht es zunächst durch den rechten Zugang hinein. An einigen der mehrere Meter hohen Pfeifen vorbei führt eine schmale Treppe hinauf. Und siehe da, das Sprichwort "aufgereiht, wie die Orgelpfeifen" kommt nicht von ungefähr. In Reih und Glied, alle exakt nebeneinander und der Größe nach geordnet, stehen hunderte Pfeifen da. Je kleiner die Pfeife, desto höher der Ton – auf diese simple Regel lasse es sich meist zusammenfassen,, aber nicht nur, wie Maraike Schäfer aufmerksam macht. Gedackte Pfeifen etwa sind am oberen Ende verschlossen. Das hat zur Folge, dass der von einer solchen Pfeife erzeugte Ton eine Oktave tiefer ist, als ihre Rohrlänge eigentlich erwarten lässt. Aber nicht nur die Bauart, auch die verwendete Metalllegierung wirkt sich auf den Ton aus, so die Kirchenmusikerin, die das Instrument nicht nur zu spielen weiß, sondern auch viel von seiner Technik berichten kann. "Während des Studiums beschäftigt man sich drei Semester mit Orgelbau", sagt sie und lacht.
"Die Orgel ist ein sehr altes Instrument", erzählt die 33-Jährige weiter und meint damit aber nicht die Orgel, in der sie sich gerade befindet. Sie ist mit knapp 275 Jahren vergleichsweise jung im Vergleich zur Hydraulis (Wasserorgel), die der griechische Erfinder Ktesibios aus Alexandria im 3. Jahrhundert vor Christus ersonnen haben soll. Charakteristisch war die Luftzufuhr mit einem hydraulischen Prinzip, bei dem ein gleichmäßiger Luftdruck durch Wasser aufrechterhalten wird. "Immer wenn in der Mechanik neue Erfindungen gemacht wurden, wurde das auch auf den Orgelbau übertragen", so Schäfer weiter. So gibt es heute mechanische, pneumatische und elektro-mechanische Orgeln, die sich jeweils in der Art und Weise unterscheiden, wie Tasten und Pfeifenventile miteinander verbunden sind. "In Gransee haben wir eine mechanische Orgel, dass heißt, wenn die Person am Spieltisch eine Taste drückt oder ein Register zieht, werden Pfeifen und Register auf rein mechanischem Weg angesteuert", so die Kantorin. Einziges Zugeständnis an die Moderne: Ein Elektromotor sorgt für den Wind und kein Blasebalg wie früher.
1968 umfassend erneuert
Bevor es wieder hinunter geht, fallen noch drei Pfeifen an der Seitenwand auf, die keinerlei Verbindung zum Rest des Systems haben. Sie erinnern an vergangene Umbauarbeiten. "Diese Körper sind aus der Orgel von 1570 und 1735 durch Wagner angewendet und aus dem alten Gedackt 8’ durch Lüthkemüller als Fortsetzung des Subbaß genommen – und ist dies Werk 1862 von Gesell und Schultze vom Blitzschaden repariert – 1868 ist das Werk durch den Umbau des Chores gründlich umgebaut vom Orgelbauer Schultze aus Potsdam" ist auf dem darunter angebrachten Schild zu lesen. Dies blieben aber nicht die letzten Umbauten. Umfassend erneuert wurde die Granseer Orgel dann noch einmal 1968 von Alexander Schuke, der 363 erhaltene Orgelpfeifen von Wagner in den Neubau einbezog. 2012 wurde das Instrument schließlich generalüberholt.
Wieder unten angekommen wird über den linken Zugang der Orgel jene komplizierte Technik in Augenschein genommen, die schließlich dafür sorgt, dass das Betätigen von Registern und Tasten sich unmittelbar auf die zu hörenden Töne auswirkt. Über filigrane Verbindungen, Abstrakte, Winkel und Wellen wird jedes Register, jede Pfeife angesteuert.
Apropos Register: Noch so ein Sprichwort, für das die Orgel Pate stand, lautet "alle Register ziehen". Genau das tut Maraike Schäfer, als sie zum Schluss der Besichtigung noch eine Kostprobe der musikalischen Möglichkeiten der Orgel gibt. Voll und wuchtig dröhnt es durch das Gotteshaus. Die Orgel verfügt über 28 Register, die auf zwei Manuale und Pedal verteilt sind. "Manche Töne bewegen sich am Rand dessen, was ein Mensch hören kann", beschreibt Schäfer und schiebt die Register wieder hinein, um kurz drauf die mächtigen hölzernen Subbaß-Pfeifen und die kleinsten Oktav-Pfeifen separat anzustimmen. Tatsächlich hat der Laie Mühe, einen Ton auszumachen. Es ist mehr ein unbestimmtes Brummen beziehungsweise ein kaum wahrnehmbares Pfeifen. "Aber solche Töne beziehungsweise die zugehörigen Register werden in der Regel nur im Zusammenspiel mit anderen benutzt, nicht allein für sich", so die Kirchenmusikerin.
Welche Möglichkeiten das Instrument alle bietet, ist bei folgenden Konzerten im August und September zu erleben. "Alte Meister treffen Filmmusik", heißt es am Sonnabend, 29. August; ab 18 Uhr. Es spielen Sanko Ogon (Orgel und Cembalo) und Arne Berg (Querflöte). Am Sonntag, 13. September, ab 16 Uhr Knut Lennart Scholz aus Köln ein Orgelkonzert. Das Konzert der Kirchenmusikerin Maraike Schäfer am Sonntag, 27. September, ab 16?Uhr steht unter dem Titel "Jubilare 2020". Werke von Beethoven, Hindemith, Muffat und Vierne kommen zur Aufführung.
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